„Jüdisches Leben in Frankfurt“

Abschlussbericht: Exkursion für Lehramtsstudierende der Ev. Theologie in Niedersachsen „Jüdisches Leben in Frankfurt“ vom 28.02. bis 02.03.2024 mit Angelika Wiesel und Olaf Ideker-Harr

Mittwoch, 28.02.2024
Nachdem wir uns ein Semester lang in unserem Vorbereitungsseminar „Das Heilige Land – Geschichte – Religion - Politik“ wöchentlich online gesehen hatten, trafen wir uns am Mittwoch am Bahnhof in Hannover zum ersten Mal persönlich und fuhren zusammen nach Frankfurt. Im Jugendgästehaus gab es für alle einen Kennenlern-Abend, an dem wir uns über unsere Vorerfahrungen zum Thema und unsere Erwartungen austauschten.

Donnerstag, 29.02.2024
Am Vormittag bereiteten wir uns in zwei Arbeitseinheiten auf die Stationen der Exkursion vor. Wir lasen biblische Texte über den Sabbat und lernten etwas über die Liturgie des Gottesdienstes am Freitagabend. In der zweiten Einheit erarbeiteten wir Grundlagentexte und Begriffe zum Thema Entstehung des Antisemitismus.


Museum Judengasse
Am Donnerstagnachmittag haben wir zusammen das „Museum Judengasse“ besucht. Durch einen kurzen Spaziergang von der Jugendherberge über den Main erreichten wir die Ausstellung, die sich mit der Geschichte der jüdischen Bewohner*innen Frankfurts auseinandersetzt. Vor Ort bekamen wir eine eineinhalbstündige Führung durch die Sammlung, wobei während des Rundgangs schon zahlreiche Fragen über jüdische Rituale heute beantwortet wurden. Das Museum enthält neben vielen jüdisch-religiösen Exponaten auch die historischen Fundamente der namensgebenden Judengasse. Dort lebten bis zum Ende des 18. Jh. die jüdischen Einwohner Frankfurts auf engstem Raum zusammen.


Gespräche in der Synagoge
Am Donnerstagabend durften wir die Frankfurter Westend-Synagoge besuchen. Viele von uns Teilnehmenden haben zuvor noch nie eine Synagoge von innen gesehen und so bewunderten wir zuerst andächtig den prächtigen, goldverzierten Innenraum. Direkt im Anschluss hat uns ein Gemeindemitglied viel über die Geschichte der Synagoge erzählt. Besonders bedrückend war, dass die Synagoge während des Novemberpogroms 1938 von innen ausgebrannt ist und im Anschluss als Lager u. a. für Theaterkulissen missbraucht wurde. Erst ab 1950 konnte die jüdische Gemeinde das Gebäude erneut weihen und als Gebetsstätte nutzen.
Neben geschichtlichen Informationen hatten wir die Gelegenheit, Fragen zu stellen. So interessierte uns besonders, wie sich jüdisches Leben heutzutage gestaltet. Das Thema Antisemitismus war uns da ausgesprochen wichtig. Eindrücklich erzählte uns die Leiterin daraufhin von ihren persönlichen Erlebnissen, die sie im Alltag mit Antisemitismus machen musste. Gebannt und auch etwas erschrocken, dass solche Begegnungen tagtäglich geschehen können, hörten wir ihre Schilderungen. Als Christen hatten wir vorher keine Vorstellung davon, wie aktuell diese Angriffe immer noch tagtäglich sind und haben auch im Nachhinein noch viel über das Gespräch nachgedacht.


Im Anschluss an die Synagogenführung führten wir ein Gespräch mit Rabbiner Avichai Apel. Im ca. zweistündigen Gespräch, in dem wir jederzeit Fragen stellen durften, erfuhren wir viel über Synagogen und die jüdische Glaubensrichtung. Männer und Frauen sitzen bei Gottesdiensten getrennt. Zudem erklärt Rabbiner Apel, dass nur am Schabbat aus der Tora gelesen wird und Frauen an der Seite hinter einem Vorhang oder oben auf der Empore sitzen müssen, da dies nach jüdischem Glauben eines der 613 Gebote ist. Wiederholt betont er, dass das Judentum eine Religion der Gemeinschaft darstellt und jederzeit ein Gottesdienst abgehalten werden kann, sofern mindestens zehn Männer anwesend sind und mindestens einer, der die Abläufe kennt. Das Gespräch half, das Judentum als Religion sowie die jüdischen Gottesdienste genauer kennenzulernen.


Freitag, 01.03.2024
Besuch in der Lichtigfeld-Schule in Frankfurt
Am Freitagmorgen haben wir die Lichtigfeld-Schule, die private Ganztagsschule der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, besucht. Dort haben wir zuerst mit Herrn Vucelic, dem Studienleiter der Oberstufe, gesprochen. Er hat uns erzählt, dass an der Lichtigfeld-Schule neben dem jüdischen Religionsunterricht auch Iwrit (modernes Hebräisch) ein Pflichtfach ist und dass in der Schule sowohl die hessischen Schulferien frei sind als auch die jüdischen Feiertage, wie z.B. das Pessachfest. Wie auch in der Synagoge gehören hier Sicherheitschecks und Polizei zum Alltag und die Schule möchte ein Schutzort sein, an dem alle Schüler*innen (nicht nur jüdische) sich sicher fühlen und ihr Potenzial entfalten können. Dies konnte man bei der anschließenden Führung durch die Schule auch merken, da neben einer großen Aula, einer Mensa mit koscherem Essen und modernen Klassenzimmern z. B. auch Projekte der Schüler*innen überall anzusehen waren.

Jüdisches Museum
Am Nachmittag ging es für uns in das jüdische Museum, welches direkt am Mainufer liegt. Dort trafen Geschichte, Kultur, religiöse Praxis und das heutige Leben aufeinander. Auf drei Etagen verteilt befand sich die Dauerausstellung des Museums. Durch diese haben wir eine begleitete Führung bekommen. Angefangen mit der Geschichte des Judentums nach dem zweiten Weltkrieg, ging es weiter mit wichtigen Elementen der Kultur und des Glaubens. In der letzten Etage ging es dann um drei große jüdische Familien, die bekannten Rothschilds aber auch die Ursprungsfamilie von Anne Frank. Überall im Museum trafen alte Exponate auf eine sehr moderne Darstellungsweise. Nach der Führung hatte jeder noch Zeit allein das Museum zu durchstöbern, von einer Fotobox bis hin zu interaktiven Boards war alles dabei. Ein wirklich lohnenswerter Besuch.


Gottesdienst in der Synagoge Westend Frankfurt
Am 01.03.2024 versammelte sich unsere Studiengruppe in der Orthodoxen Westend Synagoge. Nach den Sicherheitsmaßnahmen, die vom Sicherheitspersonal durchgeführt wurden, begaben sich die Männer in den unteren Bereich der Synagoge, während die Frauen die Wahl hatten, sich hinter einem transparenten Vorhang seitlich zu positionieren oder in den ersten Stock zu gehen, um am Gottesdienst teilzunehmen. Diese Trennung dient nach Aussage von Rabbiner Apel dazu, dass Männer nicht durch Frauen abgelenkt werden und sich auf ihre Gebete konzentrieren können. Der Schabbat-Gottesdienst war geprägt von gemeinsamen Gesprächen, Gebeten und Gesängen der Gemeindemitglieder. Der Gottesdienst wurde von dem Rabbiner Julian Chaim Soussan geleitet. Ein Mitglied der Gemeinde nahm unsere Studiengruppe wahr und begleitete uns durch den Gottesdienst. Er erklärte uns die Gebete und übersetzte sie, da sie auf Hebräisch vorgetragen wurden. Nach dem Gottesdienst wurden wir zum gemeinsamen Essen und Trinken eingeladen. Dabei fanden wir uns in einer lebhaften Gesprächsrunde mit Gemeindemitgliedern wieder, die uns verschiedene Aspekte ihrer Religion und Kultur näherbrachten. Es heißt: "Zwei Juden, drei Meinungen", doch das Wichtigste sind nicht die Antworten, sondern die gestellten Fragen. Diese Erfahrung bereicherte und interessierte alle Teilnehmer:innen.


Samstag, 02.03.2024
Workshop in der Bildungsstätte Anne Frank
An unserem letzten Tag unserer Bildungsreise besuchten wir die Bildungsstätte Anne Frank. Zu Beginn entdeckten wir das interaktive Lernlabor zu Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in Vergangenheit und Gegenwart. Auf besonders vielseitige Art und Weise wird sich an den unterschiedlichen Stationen mit Diskriminierung auseinandergesetzt. Im Anschluss gingen wir in unserer Workshoparbeit auf Antisemitismus, seine Hintergründe und Gegenwart ein. Durch verschiedene Methoden lernten wir, antisemitische Situationen und Vorkommnisse in Medien zu erkennen und einzuschätzen. Außerdem erhielten wir einige Anregungen zu einem angemessenen Umgang mit Antisemitismus im Alltag sowie in der Schule. Wir waren froh, dass wir am Ende unserer Reise, in der alle unsere Gesprächspartner berichtet haben, wie sie im Alltag von Antisemitismus betroffen sind, konkrete Anregungen zur Präventionsarbeit mit nach Hause nehmen konnten.

Dank
Wir bedanken uns bei der Axel-Springer-Stiftung und der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers für die finanzielle Förderung unserer Exkursion.

Saskia Bachmann, Lukas Böke, Carl Brüning, Maj Brüning, Maximilian Fabiszak, Karina Fasse, Eva Happ, Elisa Marie Knoche, Sarah Pahlmann, Tabea Plasger, Franke Pribbenow, Lea Simon, Gwen Tonn, Vanessa Winkler